Mantren aus der 2. Stunde Wo auf Erdengründen, Farb' an Farbe, Sich das Leben schaffend offenbart; Wo aus Erdenstoffen, Form an Form, Sich das Lebenslose ausgestaltet; Wo erfühlende Wesen, willenskräftig, Sich am eignen Dasein freudig wärmen; Wo du selbst, ο Mensch, das Leibessein Dir aus Erd' und Luft und Licht erwirbst: Da betrittst du deines Eigenwesens Tiefe, nachtbedeckte, kalte Finsternis; Du erfragest im Dunkel der Weiten Nimmer, wer du bist und warst und werdest. Für dein Eigensein finstert der Tag Sich zur Seelennacht, zum Geistesdunkel; Und du wendest seelensorgend dich An das Licht, das aus Finsternissen kraftet. Und aus Finsternissen hellet sich -Dich im Ebenbilde offenbarend, Doch zum Gleichnis auch dich bildend, Ernstes Geisteswort im Weltenäther Deinem Herzen hörbar kraftvoll wirkend - Dir der Geistesbote, der allein Dir den Weg erleuchten kann; Vor ihm breiten sich die Sinnesfelder, Hinter ihm, da gähnen Abgrundtiefen. Und vor seinen finstern Geistesfeldern, Dicht am gähnenden Abgrund des Seins, Da ertönt sein urgewaltig Schöpferwort: Sieh, ich bin der Erkenntnis einzig Tor. Der Hüter spricht: Aus den Weiten der Raumeswesen, Die im Lichte das Sein erleben, Aus dem Schritte des Zeitenganges, Der im Schaffen das Wirken findet, Aus den Tiefen des Herzempfindens, Wo im Selbst sich die Welt ergründet: Da ertönt im Seelensprechen, Da erleuchtet aus Geistgedanken Das aus göttlichen Heileskräften In den Weltgestaltungsmächten Wellend wirkende Daseinswort: O, du Mensch, erkenne dich selbst. Der Hüter spricht weiter: Doch du mußt den Abgrund achten; Sonst verschlingen seine Tiere Dich, wenn du an mir vorübereilt'st; Sie hat deine Weltenzeit in dir Als Erkenntnisfeinde hingestellt. Schau das erste Tier, den Rücken krumm, Knochenhaft das Haupt, von dürrem Leib, Ganz von stumpfem Blau ist seine Haut; Deine Furcht vor Geistes-Schöpfer-Sein Schuf das Ungetüm in deinem Willen; Dein Erkenntnismut nur überwindet es. Schau das zweite Tier, es zeigt die Zähne Im verzerrten Angesicht, es lügt im Spotten, Gelb mit grauem Einschlag ist sein Leib; Dein Haß auf Geistes-Offenbarung Schuf den Schwächling dir im Fühlen; Dein Erkenntnisfeuer muß ihn zähmen. Schau das dritte Tier, mit gespaltnem Maul, Glasig ist sein Auge, schlaff die Haltung, Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt; Dein Zweifel an Geistes-Licht-Gewalt Schuf dir dies Gespenst in deinem Denken; Dem Erkenntnisschaffen muß es weichen. Erst wenn die drei von dir besiegt, Werden Flügel deiner Seele wachsen, Um den Abgrund zu übersetzen, Der dich trennet vom Erkenntnisfelde, Dem sich deine Herzenssehnsucht Heilerstrebend weihen möchte. Des dritten Tieres glasig Auge, Es ist das böse Gegenbild Des Denkens, das in dir sich selbst Verleugnet und den Tod sich wählet, Absagend Geistgewalten, die es Vor seinem Erdenleben geistig In Geistesfeldern lebend hielten. Des zweiten Tieres Spottgesicht, Es ist die böse Gegenkraft Des Fühlens, das die eigne Seele Aushöhlet und Lebensleerheit In ihr erschafft statt Geistgehalt, Der vor dem Erdensein erleuchtend Aus Geistessonnenmacht ihr ward. Des ersten Tieres Knochengeist, Er ist die böse Schöpfermacht Des Wollens, die den eignen Leib Entfremdet deiner Seelenkraft Und ihn den Gegenmächten weiht, Die Weltensein dem Göttersein In Zukunftzeiten rauben wollen. Rudolf Steiner, 1924 (GA270)